Sina Beckmann: Rede zur Reform der Schuldenbremse

Rede Sina Beckmann© Plenar TV

TOP 32 a: Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle Debatte um eine Reform der Schuldenbremse und den Investitions- und Sanierungsstau in Niedersachsen? (Fragestunde Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Präsidentin,

liebe Kolleg*innen

„Es ist ein perverser Akt der Selbstbeschädigung, heute die Schuldenbremse vor das Wachstum zu stellen.“ Dieses Zitat des Economist konnten Sie am Dienstagabend in der Sendung „Die Anstalt“ verfolgen. Ich hoffe, Christian Lindner hat das auch gesehen!

Schauen wir mal genauer hin: An allen Ecken und Enden ächzt das derzeitige System. Unsere Wirtschaft und auch wir Menschen sind durch die Krisen der vergangenen Jahre gezeichnet. Fragen Sie die Menschen, die sagen: Corona, Krieg in der Ukraine, Inflation, Angriff auf Israel, Zukunftssorgen, all das beschäftigt uns.“

Und gerade jetzt braucht es einen starken und dauerhaften Impuls und staatliche Strukturen auf der Höhe der Zeit, die den Anforderungen gewachsen sind. Die Klimakrise verschärft sich jedes Jahr und die Modernisierung der Wirtschaft im globalen Wettbewerb zwingt uns zum entschlossenen Handeln.

Wir machen mit der jetzigen Landesregierung im Rahmen der derzeitigen strengen Schuldenbremse in Niedersachsen schon mehr Investitionen möglich. Und wie wir gerade gehört haben, steigt die Investitionsquote unter Rot-Grün um ca. ein Prozent. Aber dieses enge Korsett reicht nicht bei den Herausforderungen, die wir vor uns haben.

Die Schuldenbremse war eine staatliche Antwort auf die Finanzkrise 2009, die durch die Privatwirtschaft ausgelöst wurde und wir können vermutlich darüber streiten, ob die Schuldenbremse, so wie sie ist, noch zeitgemäß ist. Aber eines ist klar: sie ist zu einer Investitions- und Zukunftsbremse mutiert, die wir und zukünftige Generationen sich nicht leisten können!

Der russische Angriffskrieg hat auch den Letzten gezeigt, dass es keine gute Idee ist, sich von den Despoten dieser Welt abhängig zu machen. Eine saubere Energieversorgung ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch geopolitisch notwendig. Die Modernisierung der Wirtschaft zur Vorreiterin der Klimaneutralität ist ebenfalls nicht nur für das Klima wichtig, sondern Jobmotor der Zukunft.

Und wissen Sie was? Fünf CDU Ministerpräsidenten haben sich bereits positiv zu einer Reform der Schuldenbremse bekannt: Kai Wegner in Berlin, Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer aus Sachsen, Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen und zuletzt hat auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein klar signalisiert, dass er eine Reform der Schuldenbremse befürwortet.

Die CDU ist offensichtlich tief gespalten in dieser Frage. In der Opposition sperrt sie sich gegen eine Reform, aber in Regierungs-Verantwortung sehen die Vertreter der CDU fehlenden Spielräume. Schon verrückt!

Anfang diesen Jahres schrieben 54 Unternehmen einen Brandbrief an die Parteien der Ampel. Sie fordern: „Entwickelt die Schuldenbremse um die klimagerechte Modernisierung der Wirtschaft weiter, um mit Steuergeldern private Investitionen auszulösen.“ Aus Niedersachsen sind darunter die EWE, Rossmann, die Otto Group, Papier- und Kartonfabrik Varel und die Salzgitter AG.

Und der Sachverständigenrat der Bundesregierung oder auch „Wirtschaftsweisen“ genannt, hat zuletzt scharfe Kritik an der Schuldenbremse geübt. Die sagen: „Sie ist zu starr und zu streng und erzeugt einen unnötig großen Sparzwang.“ Auch sie betonen, Spielräume für öffentliche Zukunftsinvestitionen zu schaffen.

Verschuldung „durch Unterlassen“ vererben wir nachfolgenden Generationen genauso wie die expliziten Schulden und unwiderrufliche Umweltschäden. Und die finanzielle Situation von Niedersachsen, von Deutschland lässt sich langfristig nicht dadurch verbessern, dass wir nicht handeln, weil wir uns die Zwangsjacke angezogen haben.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: es geht nicht darum, ohne Ende Schulden zu machen und das Geld zu pulvern. Aber auch das europäische und außereuropäische Ausland reibt sich ungläubig die Augen und fragt: „Warum nutzt ihr denn eure Potentiale nicht?“ Die USA gehen mit dem Inflation Reduction Act einen völlig anderen Weg, einen Entschlossenen, einen Mutigen.

Es ist auch für uns an der Zeit, die strengen Fesseln der Schuldenbremse zu lockern und sich aus ihrem Würgegriff zu befreien. Für dringende Investitionen in die Infrastruktur, die jahrzehntelang verpennt wurde. Für mehr Engagement im Klimaschutz und der Klimafolgenanpassung. Für eine erfolgreiche und nachhaltige Wirtschaft: Für ein Niedersachsen und Deutschland, das zukunftsfähig ist!

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